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PV-Beschluss #154

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Parteiprogramm Teil II, Kapitel 4: Strafprozess

Von Stefan Thöni vor mehr als 3 Jahren hinzugefügt. Vor etwa 3 Jahren aktualisiert.

Status:
Angenommen
Priorität:
Normal
Zugewiesen an:
Kategorie:
Parteiprogramm
Zielversion:
Antragsteller:
Abstimmungstitel 1:
Abstimmungstitel 2:
Abstimmungstitel 3:

Beschreibung

Beschlussentwurf

Die Parteiversammlung,

gestützt auf Art. 3 Abs. 10 und 11 BVerf, Art. 11 Abs. 1 lit. e OS,

beschliesst,

dem Parteiprogramm, Teil II, folgendes Kapitel hinzuzufügen:

Kapitel 4: Strafprozess

Der Staat darf Menschen nur dann bestrafen, wenn nach einem umfassenden und fairen Verfahren ein unabhängiges Gericht zur Auffassung gelangt, dass die Schuld des Angeklagten zweifelsfrei bewiesen ist. Dieser Maxime wollen wir wieder Geltung verschaffen und unfaire Abkürzungen aus dem Strafverfahren verbannen.

Der Strafbefehl soll abgeschafft werden, denn er vereint Ankläger und Richter in einer Person. Auch der sogenannte Deal soll abgeschafft werden, denn der Schuldbeweis ist nicht Verhandlungssache. Stattdessen soll in jedem Fall, in dem mehr als eine Katalogbusse droht, ein unabhängiger Richter entscheiden. Ausserdem soll das Verwaltungsstrafrecht abgeschafft werden und alle Strafverfahren von der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden. Eine Ausnahme soll nur gelten, wenn ein Polizist oder zuständiger Beamter vor Ort eine Busse von höchstens 300 Franken ausspricht.

Die Beratung eines Urteils mit mehr Richtern führt in der Regel zu besseren Urteilen. Deshalb soll der Einzelrichter nur noch Bussen, Geldstrafen und bedingte Freiheitsstrafen aussprechen dürfen. Beantragt die Staatsanwaltschaft hingegen eine unbedingte Freiheitsstrafe, soll ein Kollegialgericht mit drei Richtern, im Falle eine beantragten Freiheitsstrafe von mehr als vier Jahren ein Kollegialgericht mit fünf Richtern zuständig sein.

Richter können am fairsten entscheiden, wenn sie die Zeugen selbst befragt haben und selbst die Antworten auf Fragen des Staatsanwalts und des Verteidigers gehört haben. Aus diesem Grund soll im Strafverfahren, anders als Heute, das Unmittelbarkeitsprinzip gelten, das besagt, dass Zeugenaussagen grundsätzlich in der Hauptverhandlung von allen urteilenden Richtern gehört werden müssen. Eine Pflicht, als Zeuge auszusagen soll es nur noch vor Gericht geben. Eine Ausnahme solle es für Kinder geben, die nur einmal durch eine Fachperson befragt werden, welche auch die Fragen der Anwälte und Richter stellt.

Alle Befragungen von Zeugen durch die Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und psychiatrische Gutachter sollen zwingend auf Video aufgezeichnet werden, um unklare, inkonsistente oder verfälschende Protokolle und Berichte zu verhindern. Anklage und Verteidigung sollen während des gesamten Strafverfahrens Zugang zu den Videoaufzeichnungen haben.

Ein Strafverfahren darf nicht überrumpelnd sein. Aus diesem Grund wollen wir die Regel einführen, dass eine beschuldigte Person frühstens eine Woche nachdem der Vorwurf erhoben wurde vernommen werden darf, ausser ein Verteidiger ist anwesend.

Das Strafverfahren ist für beschuldigte Personen belastend und darf deshalb nicht länger als unbedingt notwendig dauern. Dabei ist es Aufgabe des Staates genügend Ressourcen für Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte zur Verfügung zu stellen, um dieses Ziel zu erreichen. Deshalb sollen Vorwürfe verjähren, falls ein Jahr nach deren Mitteilung noch kein erstinstanzliches Urteil gesprochen ist. Danach soll der Vorwurf verjähren, wenn das Rechtsmittelverfahren nicht spätestens nach einem weiteren Jahr abgeschlossen ist. Wird das Verfahren mangels Beweisen eingestellt, so soll es bei Verbrechen später wieder aufgenommen werden können, falls neue Beweismittel auftauchen.

Die Verteidigung gegen strafrechtliche Vorwürfe ist teuer, sodass sich viele Menschen aus finanziellen Gründen nicht richtig verteidigen können. Aus diesem Grund soll der Staat die Anwaltskosten in genügender Höhe vorschiessen müssen. Wenn das Strafverfahren nicht mit einem Schuldspruch endet muss der vormals Beschuldigte vom Staat in jedem Fall so entschädigt werden, dass nicht nur seine Anwaltskosten gedeckt, sondern er auch für verlorene Lebenszeit entschädigt wird. Wird jemand verurteilt, so sind die Verfahrens- und Anwaltskosten häufig höher als die Geldstrafe. Dies darf insbesondere bei knappen finanziellen Verhältnissen nicht sein. Deshalb sollen sich die auferlegten von Verfahrens- und Anwaltskosten nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der verurteilten Person richten.

Oft spielt die staatliche Ermittlungsbehörde nicht nach den gesetzlichen Regeln. In diesen Fällen sollen die unrechtmässig erhobenen Beweismittel und alles was daraus folgt in jedem Fall unverwertbar sein.

Wer von einem Grundrechtseingriff, insbesondere einer Hausdurchsuchung oder Überwachungsmassnahme im Rahmen eines Strafverfahrens betroffen ist, ohne später verurteilt zu werden, soll dafür finanziell entschädigt werden. Die Haftentschädigung soll so weit angehoben werden, dass nicht nur der Verdienstausfall einer durchschnittlichen Person, sondern auch der Freiheitsentzug als solcher entschädigt wird. Diese Entschädigungspflichten des Staates haben den schönen Nebeneffekt, Grundrechtseingriffe teurer zu machen und damit dazu beizutragen, diese sparsamer anzuwenden.

Es muss auch endlich in der Praxis ankommen, dass die Untersuchungshaft keine Strafe ist. Daher müssen Personen in Untersuchungshaft so komfortabel untergebracht sein wie ein durchschnittlicher freier Mensch. Die Kommunikation und Kontakt aus der Untersuchungshaft dürfen nur insoweit eingeschränkt oder überwacht werden als tatsächlich die Kollusions- oder Ausbruchsgefahr besteht. Einzelhaft muss die absolute Ausnahme sein und darf niemals für mehr als drei Tage pro Woche angewendet werden.

Die Bundesanwaltschaft soll als Kollegialbehörde mit sieben Mitgliedern ausgestaltet werden. Die Mitglieder sollen vom Volk individuell für eine Amtszeit von 12 Jähren gewählt werden. Die Wiederwahl soll ausgeschlossen werden. Die Bundesanwälte sollen auf Antrag der Bundesversammlung durch das Bundesgericht des Amtes enthoben werden können, wenn sie ihre Amtspflicht schwerwiegend verletzt haben oder nicht mehr in der Lage sind, ihr Amt auszuüben.

Die aktuelle Ausgestaltung des Militärstrafprozesses bietet für die Verteidigung einige wichtige Vorteile, die wir wie oben beschrieben ins bürgerliche Strafrecht aufnehmen wollen. Eine Sonderjustiz in Uniform erweckt jedoch immer einen parteiischen Eindruck. Deshlab soll die Militärjustiz abgeschafft werden und neu das Bundesstrafgericht für Strafverfahren gegen Angehörige der Armee zuständig sein.

Begründung

Der Strafprozess schützt die Freiheit vor dem scharfen Schwert des Strafrechts.

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